Warum Haschisch dringendst legalisiert werden muss!
Eine Weihnachtsgeschichte
Wenn Schwerbehinderte in die Illegalität abrutschen und die Exekutive eines Landes, sich selbst zum Kasper macht. Wenn ein wildfremder Holländer mir einen Kaffee ausgibt und ich das erste Mal in meinem Leben, vom Geist der Weihnachtszeit ergriffen werde, dann ist es Zeit die Welt zu
verändern oder zumindest eine Geschichte zu erzählen. Alles was hier geschrieben ist wahr und hat sich am 22.12.22 zugetragen.
„legalize it“
Ich bin 58, meinen letzten Joint habe ich vor dreißig Jahren geraucht. Zehn Jahre Parkinson, Korona war kein Thema, aber jetzt diese Grippe, die ist ein Gang zu viel. Ich habe Gliederschmerzen, dass ich schreiend die Wände hochgehen könnte und Dope soll helfen. Meinen Arzt jetzt noch nach einem Rezept zu fragen ist wohl zu spät. Die Praxis ist schon zu. Aber noch so eine Nacht halte ich nicht aus.
Also entscheide ich mich, meinem Leben als gesetzestreuer Bürger, für den Rest des Tages, frei zu geben und setze mich kurzerhand in die Regionalbahn 61 nach Hengelo,
Mein Plan ist es, mich im örtlichen Coffeeshop der niederländischen Grenzstadt, mit Haschisch-Muffins einzudecken.
Mit dem Merkzeichen G in meinem Schwerbehindertenausweis, fahre ich die Strecke sowieso fast
für umsonst. Also genieße ich die Fahrt und hole ein wenig Schlaf nach.
Irgendwo, so um Bad Bentheim herum, steigen zwei sehr ungleiche junge Männer in den Zug ein, die sich offensichtlich kennen, ein paar Worte miteinander wechseln, aber sich nicht nebeneinander setzen. Beide kommen mir irgendwie unecht vor.
Der eine könnte ein Nordafrikaner mit Rastazöpfen sein. Aber sein ganzes Oufit schreit:
Seht her ich bin ein Kiffer!
Warum tut das jemand, so aufmerksamkeitsheischend im kleinen Grenzverkehr?, frage ich mich.
Der andere ist blond und blauäugig und hat ein nagelneues elektrisches Klapprad. So eins extra für Bahnreisende. Der Rest seines Outfits ist aber eher billig. Der junge Mann sieht mehr wie ein übernächtigter Nerd aus, als jemand der täglich mit Rad und Zug zu seinem Job fährt.
Noch ahne ich nicht, wie sehr diese beiden mir bei meinem Abenteuer noch helfen werden.
In Hengelo finde ich, dann doch, schnell den Weg zum Coffeeshop, obwohl sich Google hartnäckig weigert, mir die Route anzuzeigen. Ein junger Mann hält mir grinsend dir Tür auf, ein anderer packt mir grinsend fünf Weed-Muffins in eine Papptüte. Ein Dritter gibt mir grinsend Tipps für die Dosierung und die Aufbewahrung.
Wellnessfaktor beim Einkaufsevent:
zehn von zehn Punkte, ohne auch nur einen Tropfen THC im Blut!
Ich ließ mir von den Jungs dann noch erklären, wie man zu dem Laden, der Hanfsamen für den Eigenanbau verkauft kommt, dann stand ich schon wieder im Nieselregen. Auf dem Rückweg zum
Bahnhof, spürte ich mit jedem Schritt mehr meine Erschöpfung. Mit Parkinson kann man sich seiner Kräfte nie so richtig sicher sein, Irgendwo war ich falsch abgebogen. Die dunkle Straße mit den eingeschossigen Einfamilienhäuschen, kam mir völlig unbekannt vor. Meine Brille beschlug
ständig und meine Hände zitterten so, dass ich mein Handy nicht mehr benutzen konnte. Ich ließ mich gegen einen Betonpfeiler fallen und hoffte dass die Medikamente bald wirken würden, als aus dem Dunkel auf einmal John auftauchte. In schlechtem Englisch rief ich, schrie ich John fast an, ob er mir die Richtung zum Bahnhof sagen könnte.
John bat mich um eine Minute Geduld, brachte kurz seinen Einkaufsbeutel weg und fragte mich höflich ob er mich zum Bahnhof begleiten dürfte. Ich konnte kaum noch laufen. Schwankend, wie ein Matrose auf Landgang, wankte ich mit John über die schwarzen Straßen. John mahnte mich
langsamer zu gehen. Er wäre ja auch Renter,
da hat man viel Zeit und wenig Geld.
Sagte er und begann zu erzählen und wir erzählen uns unsere Lebensgeschichten, während wir durch den Regen gingen. Schritt für Schritt, langsam, alt, krank, überflüssig. In den Grundfesten unserer Existenz, unser Menschenwürde getroffen, aber noch nicht tot.
John lud mich noch zu einem Kaffee ein, dann brachte er mich bis zum Bahnhofseingang. Zum
Abschied schüttelten wir uns die Hände, zwei oder drei Mal und dann noch ein letztes Mal.
Dann ging ich zu meinem Zug.
Aus taktischen Gründen wählte ich einen Schwerbehindertenplatz in der Nähe der Toilette. Damit ich meine zweianhalb Gramm Gras, zu Vanillemuffins verarbeitet und haltbar verpackt, im Falle einer polizeilichen Kontrolle schnell ins Klo werfen konnte. Die behindertengerechte Toilette nahm
fast die gesamte Breite des Zuges ein. Nur ein schmaler Gang führte in den vorderen Teil des Zuges, dort saßen, ich konnte es nicht fassen, wieder die beiden jungen Männer. Der Rastafari und der E-Bike Typ. Auf verschiedenen Seiten des Zuges, saßen sie, aber immer noch recht nah beieinander und so wie ich, der Toilette so nah wie möglich.
Aber als an der nächsten Station, der letzten niederländischen, ein halbes Dutzend deutsche Polizistinnen einstieg und sich im Gänsemarsch durch den Zug schob, war ich, vollkommen überrascht, nur noch zum staunenden Bezeugen deutscher Polizeiarbeit fähig.
Voran ging eine offensichtlich erfahrene Polizistin, den Gang durch das Zugabteil, direkt auf mich zu und checkte dabei die Fahrgäste, einen nach dem anderen, während sie gleichzeitig den jüngeren,
hinter sich, laut erklärte was und warum sie etwas tat. Als sie auf Höhe des Rastafari angekommen waren, unterbrach sie schlagartig ihren Vortrag und wechselte direkt von der Theorie in die Praxis.
Freundlich wurde der braunhäutige Mann gebeten seine billige schwarze Reisetasche zu öffnen. Schnell war alles durchsucht - und natürlich nichts gefunden. Dann kam die Amazonengruppe forschen Schrittes auf mich zu, doch hatten die Ordnungshüterinnen bei der Durchsuchung der Rastafaritasche schon viel Zeit verloren und mussten sich beeilen, um vor der nächsten Station noch durch den Zug zu kommen.
Meine Muffins gehörten mir!
Die beiden Dealer blieben ruhig sitzen, bis die fachkundige Polizistinnengesellschaft, den Zug verlassen hatte und stiegen eine Station später aus.
Der Nerd beäugte mich zwischendurch immer wieder misstrauisch. Zu Recht, ich wusste warum er sein Fahrrad nach dem Aussteigen nicht mehr auseinanderklappte. Es lohnte nicht, weil in dem geschlossenen Akkufach kein Akku drin war, sondern das Dope.
Jede Wette drauf!
Vor dem schlafen gehen aß ich ein achtel Stück Muffin, das ist ein sechzehntel Gram Marihuana...
und wachte am nächsten Morgen auf, ohne Schmerzen.
Ein absurderes Possentheater als diese „Polizeiarbeit“ ist mir noch nicht begegnet.
Ich glaube, wenn ich das nächste Mal nach Hengelo fahre, nehme ich mein E-Bike mit und frage einen Freund, ob er für mich eine Zugfahrt lang in die Rolle einer ethnischen Minderheit schlüpfen würde. Zur Not nehmen wir Schuhcreme…
Martin Maarufie
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