Ich trinke mein Glas auch andersherum..

Veröffentlicht am 9. Dezember 2022 um 14:51

 Was?
Was?
Ich wachte auf aus einem wirren Traum. Eine Kneipe in der ehemaligen DDR spielte
dort eine Rolle und mein Besuch der Ostseeinsel Rügen, vor ein paar Jahren, wo ich grad
wußte ich hab Parkinson und wo ich mich so unglaublich einsam gefühlt habe und
unfähig Kontakt mit den Menschen um mich herum aufzunehemen, weil sie dort (im
Osten) doch ein ganz anderes Schicksal hatten als ich und ich irgendwie ein komplett
anderes Schicksal als die.
Und obwohl die (Touristen, die dort Spazieren gingen) und ich, wir alle die gleiche
wunderschöne Natur anschauten. Den Kreidefelsen und der Tagesausflug nach
Usedom mit dieser unglaublich schönen Ostseeküste, waren wir uns doch auf der anderen
Seite vollkommen Fremd, und so weit von einander entfernt wie Astronauten in ihren
Anzügen, draußen im Weltall. Lautlos, berührungslos und sollten wir unsere
Raumanzüge öffnen, weil wir diese Einsamkeit nicht mehr ertragen könnten, sofort tot.
Denn die Erinnerungen an frühere Besuche der Insel, waren das unsichtbare Band, das
die meisten Nebensaisontouristen hier miteinander teilten. Und die konnte ich als
Westdeutscher ja nicht haben, meine Kindheitserinnerungen an die Ostsee stammten aus
Kiel und Lübeck.
Und dann war da auf eimal die Stimme von Jens und ich war in dieser DDR Kneipe, weil
irgendwie mußten wir runter von der Autobahn und da rein in die Kaschemme und da
war es spießig und fremdenfeindlich und - wollten wir da übernachten? Weil das Auto
kaputt war? Und irgendwas bedrohliches kam auf mich zu. War das der wütende,
betrunkene Mann dort?
Und Plötzlich sagte einer, ich glaube es war die Sitmme von Jens, oder Jens selber... Es
gibt ein Spiel. Wenn man in einer Situation ist, die irgendwie richtig brennzlich ist, also
gleich was richtig schief gehen könnte, wie zum Beispiel, die Sekunde(n) in der ein
Unfallauto durch die Luft fliegt, bevor es gegen einen Baum knallt ... oder der Moment,
wo der angetrunkene Schläger in der Kneipe wütend auf dich zukommt.
Also so eine Situation. Wer dann als erstes:
„Ich trink das Glas auch andersherum“
sagt, der kann sein Leben bis zu einem bestimmten Punkt zurückdrehen und von dort
nochmal anfangen. Bei mir war das, dieser Augenblick auf Rügen zum Beispiel, wo ich,
fast allein, bei herrlichem frühsommer Wetter, draußen auf der Sonnenterasse meines
Hotels, (siehe oben genannter Einsamkeitsblues) saß,
und mich umschaute, weil ich spürte, von jemandem angeguckt zu werden.
Und da saß tatsächlich ein Mann mittleren Alters, mit noch dunkelbraunem Vollbart und
schaute so demonstrativ unbeweglich in seine Frühstückszeitung, dass ich sofort wußte,
dass er mich gerade eingehend beobachtet hatte und sich sicherlich die gleiche Frage
stellte wie ich? Was macht dieser Mann hier alleine? Woran denkt er zurück? Mit wem
war er schon mal hier?
Seit Jahren quäle ich mich mit der Frage herum: wenn ich mein Leben erzählen sollte, in
einem Buch, wie diesem hier zum Beispiel. Wo fange ich an?

Welcher Augenblick in meinem Leben ist es, der für den ganzen Rest des Geschichte
prägend ist.
Weil mit dem Beginn, dem Festlegen des Winkels, des Einstiegstunnels in meine
Geschichte, bestimmte ich auch mich.
„Alea Jakta est“, die Würfel sind gefallen, würde der Lateinlehrertyp, am Tisch dort
drüben vielleicht gesagt haben, hätte ich ihn nur angesprochen. Aber der Augenblick war
zu kurz für mich, um eine Entscheidung treffen zu können und ich ließ ihn, wie immer
verstreichen.
(Ne das stimmt nicht. Es gab zwar öffter diese quälenden Momente in meinem Leben,
aber einige davon habe ich auch genutzt.)
Jetzt aber noch mal zurück zu dem Spiel:
Ändert sich also die Geschichte und in diesem Fall die Geschichte der Zeit auf diesem
Planeten, wenn ich jetzt mitspiele?
„Ich trinke das Glas auch andersherum!“
sage ich laut in meinem Traum und wache auf.
Als ich noch ein Kind war gab es bei uns, einige sehr lustige, aber meistens vollkommen
nutzlose Anleitungen, um einen Schluckauf loszuwerden.
Eine davon war:
aus einem vollen Wasserglas vom gegenüberliegenden Rand zu trinken, was ziemlich
bescheuert aussieht, wenn man einen findet, der es versucht und deshalb für gelangweilt
herumstehende Mitschüler, eine Zeit lang ein willkommener Pausenspaß war. Auf jeden
Fall für mich so lustig anzusehen, dass ich mich jetzt, ca 45 Jahre später, im Traum daran
erinnerte.
Der Traum wurde von jemandem kommentiert, der die Stimme eines alten Freundes von
mir hatte.
Der Kommentar sagte zum Schluß, Wenn du alles richtig gemacht hast wird dieses Spiel
funktionieren und bekannt sein in deiner Welt.

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